Leopoldine Brandner

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HIER WOHNTE
LEOPOLDINE BRANDNER
JG. 1906
INTERNIERT 1940
LAGER SALZBURG-MAXGLAN
DEPORTIERT 1943
AUSCHWITZ
ERMORDET 18.2.1943

 

Leopoldine Brandner wurde 1906 im Leobener Stadtteil Waasen geboren. Die spärlichen und sich teils widersprechenden Angaben über ihr Leben bescheinigen ihr Wohnorte im Bezirk Bruck an der Mur, sowie später in Pöls bei Judenburg, von wo sie 1938 mit sechs ihrer Kinder offenbar nach Graz zog. Sie gehörte der Bevölkerungsgruppe der Sinti und Roma an.

Meldezettel Leopoldine Brandner (Rückseite)

Meldezettel Leopoldine Brandner (Vorderseite)

 
In Österreich lebten 1938 etwa 11.000 „Zigeuner“, wie diese damals umgangssprachlich fast ausschließlich genannt wurden. In diese Kategorisierung fielen die Burgenland-Roma, deutsche und österreichische Sinti und andere Splittergruppen. Einer Mehrheit war das Land zur Heimat geworden – in der Not der Zwischenkriegszeit arbeiteten viele als Händler, Handwerker oder Musiker, aber auch als Arbeiter und Tagelöhner. Dominant war allerdings die sozial schlechte Lage und so überwogen Armut und geringe Bildung. Ressentiments der Mehrheitsbevölkerung gegen das „fahrende Volk“ waren schon damals weit verbreitet. Noch in der Ersten Republik wurden Gesetze verabschiedet, die es erlaubten, Roma namentlich, sowie mit Fotos und Fingerabdruck zu erfassen – solche Datenbanken halfen den Nationalsozialisten später bei der Organisation der Deportationen.

Sofort nach dem „Anschluss“ an das „Deutsche Reich“ begannen diese eine regelrechte „Zigeuner“-Hetzjagd. So wurden bereits 1938 Tausende als „Asoziale“ oder „rassisch Minderwertige“ verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt, ab 1939 geschah dies in eigens errichteten Zwangsarbeiterlagern.

Zu diesem Zeitpunkt lebte Leopoldine Brandner in Graz. Die Einträge am Meldezettel vermerken die Ägydigasse 6 als ihre erste Adresse in der steirischen Landeshauptstadt. Später wurde offenbar ein Wohnwagen zum Lebensmittelpunkt, der in der Fabriksgasse 38 – einer Liegenschaft in der Nähe des heutigen Cityparks – sowie später „hinterm Friedhof“ und „beim Fischerwirt“, der in der Neuholdaugasse 112 hinterm Ostbahnhof gelegen war, stand. Als letzter eingetragener Wohnort innerhalb von Graz ist die „Angerergasse“ – vermutlich ist damit die Angergasse bei der heutigen Seifenfabrik – vermerkt. Im September 1940 verzog sie nach München. Und vermutlich von dort gelangten sie nach Salzburg-Maxglan, wo im Sommer 1940 ein provisorisches Zwangslager errichtet wurde. Die dort lagernden Sinti-Familien sollten von den Nationalsozialisten nach Polen umgesiedelt werden.

Meldezettel Leopoldine Brandner (Rückseite)

Meldezettel Leopoldine Brandner (Rückseite)

 
Dieser Schritt ist im Kontext weiterer und sich zunehmend verschärfender Verfolgungsmaßnahmen zu sehen. Trauriger Höhe- und gleichzeitig Schlusspunkt war schließlich der sogenannte „Auschwitz-Erlass“ von SS-Reichsführer Heinrich Himmler im Dezember 1942 – dieser legte den „Ausrottungsplan“ aller „Zigeuner“ und „Zigeunermischlinge“ fest. Die Umsetzung erfolgte ab dem Frühjahr 1943: Eine halbe Million europäischer Roma und Sinti hat den Holocaust nicht überlebt, von den 11.000 in Österreich lebenden wurden zwei Drittel Opfer des NS-„Zigeuner“-Holocaust.

Denkmal in einer Parkanlage am ehemaligen Trabrennplatz in Salzburg-Aigen, welcher einem Sammellager für Sinti und Roma weichen musste. Von dort aus wurden die rund 300 Menschen in das Lager Maxglan gebracht. https://gedenkorte.sintiundroma.de/abbildungen/95/Ignaz%20Rieder.JPG

Denkmal in einer Parkanlage am ehemaligen Trabrennplatz in Salzburg-Aigen, welcher einem Sammellager für Sinti und Roma weichen musste. Von dort aus wurden die rund 300 Menschen in das Lager Maxglan gebracht.
Quelle: sintiundroma.de

 
Neben dem Lager Lackenbach in Burgenland gehörte das Lager Salzburg-Maxglan, alternativ in den Quellen auch nach der korrekten Gemeindezugehörigkeit Leopoldskron-Moos genannt, zu den größten „Zigeunerlagern“ in Österreich. Diese funktionierten ähnlich wie die großen Konzentrationslager: Terror und Gewalt sowie Not und Elend prägten den Alltag in den als Familienlager geführten Einrichtungen. Zwar war in diesen Lagern die Überlebenschance größer, jedoch handelte es sich dabei nur um Durchgangsstationen – für viele wurde die spätere Deportation in die Vernichtungslager des Ostens spätestens nach dem „Auschwitz-Erlass“ grausame Realität. Das Lager in Salzburg-Maxglan wurde komplett aufgelöst. Überlebenschancen hatten nur „Arbeitsfähige“, die aus Transporten selektiert und diversen Arbeitskommandos zugeordnet wurden.

Im bei Salzburg gelegenen Lager verbrachte Leopoldine Brandner rund zweieinhalb Jahre, zusammen mit zumindest fünf ihrer Kinder: Dem 1925 oder 1926 geborenen Karl-Josef, der 1926 oder 1927 geborenen Helene, der 1927 geborenen Melanie, der 1932 geborenen Anna-Johanna und dem 1935 geborenen Alfred.

Internierte Sinti und Roma im Lager Maxglan https://radiofabrik.at/wp-content/uploads/2017/09/roma_sinti_maxglan-768x541.jpg

Internierte Sinti und Roma im Lager Maxglan
Quelle: radiofabrik.at

 
Leopoldine Brandner wurde von Salzburg Maxglan in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Dort wurde sie am 18. Februar 1943 ermordet. Dies ist in den Sterbebüchern von Auschwitz vermerkt, ebenso wie die Namen der fünf Kinder – alle verstorben zwischen Mai 1943 und März 1944 – und der ihres aus Bayern stammenden Partners Friedrich Krems. Laut dem Verzeichnis der von Salzburg nach Auschwitz deportierten Sinti war er der Vater von Alfred, Anna, Helene, Karl, Leopold, Maria und Melanie.

Über den Verbleib der am Grazer Meldezettel ebenfalls angeführten Margarete und Richard ist nichts weiteres bekannt. Währenddessen hat Maria, verheiratet Taubmann, als einziges Familienmitglied den Krieg – nachgewiesen – überlebt. Sie konnte aus dem Lager in Maxglan fliehen und wurde noch 1940 in Linz verhaftet, von dort ins Konzentrationslager Ravensbrück und später nach Buchenwald deportiert. Knapp vor Kriegsende wurde sie noch in das Lager Bergen-Belsen verschleppt, wo sie die Befreiung erlebte. Aufgrund der oftmals sehr mangelhaften Quellenlage ist es schwierig, der Opfergruppe der Sinti und Roma mit der Verlegung von Stolpersteinen angemessen gerecht zu werden – die teilweise Erforschung der Biografie von Leopoldine Brandner soll als ein erster Schritt in diese Richtung zu verstehen sein.

 

Recherche und Biografie: Mag. Thomas Stoppacher

Quellen:

Roma-Opfer



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