Anka Edlinger

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Geb. 1892 im heutigen Kroatien; in Graz als Fremdsprachenkorrespondentin und Hausverwalterin tätig, ab 1940 im politisch organsierten kommunistischen Widerstand, verhaftet und ins KZ Ravensbrück deportiert, 1945 befreit. Im Mai 1945 nach Österreich zurückgekehrt, wo sie wieder als Hausverwalterin arbeitete und in ihrer alten Wohnung am Joanneumring 16 lebte, später in einem Pflegeheim in Graz bzw. Niederösterrreich, wo sie im 89. Lebensjahr verstarb.

 

 

HIER WOHNTE

ANKA EDLINGER

GEB: SUKNAIĆ

  1. 1892

IM WIDERSTAND/KPÖ

VON GESTAPO

VERHAFTET 1944

DEPORTATION

KZ RAVENSBRÜCK

ÜBERLEBT

 

Recherche und Biografie: Heribert Macher-Kroisenbrunner

Anka Suknaić wurde am 28. Oktober 1892 als Tochter des Ehepaars Anton und Magdalena Suknaić in Klanac, in der Ortschaft Pazarište, geboren. Das kleine Dorf lag im damaligen Verwaltungsbezirk Perušić, im Königreich Kroatien und Slawonien. Nach dem Besuch des k. k. Ober-Gymnasiums in Zagreb war Anka Suknaić in Graz als Fremdsprachenkorrespondentin tätig. In Graz lernte sie auch ihren späteren Ehemann, Dr. Alois Edlinger (geb. am 31. Jänner 1881), kennen. Anka Suknaić und der Rechtsanwalt und Gerichtsdolmetscher für Französisch heirateten im Jahr 1919. Das Ehepaar Edlinger bekam zwei Kinder. Ihr Sohn Ewald wurde 1920, und ihre Tochter Erika 1924 geboren. Ab dem 31. Jänner 1931 wohnte die Familie in einer Wohnung am Joanneumring 16, im zweiten Stock, zur Hauptmiete. Unter dieser Adresse war auch die Rechtsanwaltskanzlei von Alois Edlinger registriert. Er starb kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, am 3. September 1939, im 59. Lebensjahr. Bereits zuvor hatte Anka Edlinger die Hausverwalterprüfung abgelegt und war in diesem Bereich beruflich tätig.

Anka Edlinger war von den Ereignissen der Novemberpogrome so erschüttert, dass sie sich verpflichtet fühlte, mit ihrem eigenen Handeln gegen das Nazi-Regime tätig zu werden. In einem späteren Bericht zu ihrer Beteiligung am kommunistischen Widerstand schrieb sie: „Es waren viele Gegner der Nazi, aber die meisten verkrochen sich in ihre Wohnungen und wollten nichts sehen und hören, nur in Ruhe gelassen werden. Wieviel Unglück wäre verhütet worden, wenn es nicht so viele Gleichgültige gäbe.“

Es ist schwierig, das Gesamtausmaß des Widerstandes in der Steiermark zu beziffern, um festzustellen, wer aktiv, d.h. Mitglied oder SympathisantIn einer der verschiedenen politisch organisierten Widerstandsgruppen war, oder nur „geringen“ Widerstand leistete. Es ist jedoch davon auszugehen, dass ein großer Teil des aktiven politischen Widerstandes von der Gestapo zerschlagen wurde, und damit aktenkundig geworden ist. Insgesamt wurden im Grazer Paulustor-Gefängnis fast 24.000 politische Gefangene wegen verschiedener Delikte registriert. Darunter waren auch Personen des aktiven politischen Widerstandes, die sich durch gezielte Aktionen gegen die nationalsozialistische Herrschaft wehrten. Zu diesen Aktionen gehörten Flugblatt- und Verleumdungskampagnen, Anschläge und Attentate, nachrichtendienstliche Tätigkeiten, Konspiration, Sabotage und Partisanentätigkeit. Daneben gab es aber auch viele, die im kleinen und privaten Rahmen Widerstand leisteten, jedoch genauso von der Gestapo verfolgt wurden. Dieser soziale Protest umfasste Aktivitäten, wie die Pflege von Kontakten zu politisch Andersdenkenden, Gehorsamsverweigerung, Witze über den Führer, Kritik am Regime, Verweigerung des Hitlergrußes und vieles mehr.

Anka Edlinger gehörte ab 1940 dem politisch organisierten kommunistischen Widerstand an, und wurde direkt von Josef Neuhold (geb. am 15. August 1890) angeworben, der, zusammen mit einigen Genossen, 1940 eine landesweite kommunistische Organisation aufbaute. Der größte Teil des organisierten Widerstandes in der Steiermark wurde von KommunistInnen geleistet. Der NS-Volksgerichtshof und das Oberlandesgericht verurteilten allein in der Steiermark mehr als 1.200 Personen wegen kommunistischer Betätigung, davon mehr als 120 zum Tode. In Konzentrationslagern, Haft- und Zuchthäusern, oder als Partisanen und Widerstandskämpfer erschossen, starben über 260 weitere politisch verfolgte Personen im Zusammenhang mit dem kommunistischen Widerstand.

 

Josef Neuhold aus Graz baute, gemeinsam mit mehreren Genossen, eine landesweite kommunistische Organisation in der Steiermark auf. Er wurde im Februar 1941 festgenommen, und am 28. Juli 1942 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Neuhold starb am 25. August 1942 in der Haft in Wien. (DÖW Foto 521)

Anka Edlingers Widerstandsarbeit und ihre Verbindung zur Gruppe um Josef Neuhold und Hildegard Burger

Anka Edlinger und Josef Neuhold lernten sich im Zuge ihrer beruflichen Tätigkeiten kennen, und, nachdem sie sich gegenseitig ihrer politischen Überzeugung als Gegner der Nazis sicher waren, führte Neuhold sie nach und nach in seine Widerstandsgruppe ein.

Josef Neuhold war gelernter Lithograph und schloss sich schon früh der Arbeiterbewegung an. Er war seit 1909 Mitglied der sozialdemokratischen Gewerkschaft „Senefelderbund“ und trat 1919 als Soldatenrat im Arbeiterhilfskorps in Erscheinung. Josef Neuhold schloss sich 1923 dem Republikanischen Schutzbund an und wechselte nach einer Reise in die Sowjetunion 1932, und dem Verbot der SPÖ im Jahr 1934, zur KPÖ. Ab 1938 arbeitete Josef Neuhold für eine Versicherungsgesellschaft im Außendienst. Im Jahr 1940 baute er, gemeinsam mit Karl Drews, Dr. Franz Weiß und Anton Kröpfl eine neue kommunistische Widerstandsgruppe auf, die sich über die ganze Steiermark verzweigte, nachdem im Zuge einer Verhaftungswelle im Frühjahr 1939, die führenden Kommunisten in der Steiermark festgenommen, und viele Strukturen der Partei von der Gestapo zerschlagen worden waren.

Josef Neuhold erzählte Anka Edlinger zunächst von einem Kriegsgefangenenlager in Bruck/Mur, in dem französische Kriegsgefangene unter katastrophalen Bedingungen, und ohne ausreichend warme Kleidung, festgehalten wurden. Der Plan der Widerstandsgruppe war, diese Franzosen davon zu überzeugen, dass ÖsterreicherInnen sich nicht mit der Naziherrschaft identifizieren. Sie wollten deshalb versuchen, Kleidungsstücke und Strümpfe zu sammeln, und ins Lager zu schleusen. Anka Edlinger sammelte daraufhin warme Kleidung, wo immer sie konnte − unter einem anderen Vorwand auch von bekannten Nationalsozialisten. Diese Kleidung wurde schließlich über einen Mittelsmann mit dem Vermerk „Eure Feinde sind unsere Feinde“ ins Lager zu den französischen Kriegsgefangenen geschmuggelt.

Durch Josef Neuhold lernte Anka Edlinger auch Hildegard Burger kennen, die im Widerstand aktiv tätig, und durch Zufall in einem, von Edlinger betreuten Haus, eingemietet, war. Hildegard Burger gehörte zu jener Widerstandsgruppe, die sich, unter anderem gemeinsam mit Josef Neuholds Tochter, Elfriede Neuhold, für die Verbreitung der Anti-NS-Schrift „Der Rote Stoßtrupp“ einsetzte. Burger sammelte auch Geld für Familien inhaftierter KommunistInnen. Für diese Familien leistete auch Anka Edlinger einen monatlichen Beitrag an Hildegard Burger. Außerdem begann Anka Edlinger selbst, verschiedene Pamphlete gegen die Nationalsozialisten zu verfassen, und sie an bekannte Antifaschisten zu verteilen. Diese schrieben sie dann ab und verteilten die Schriften wiederum weiter, und hängten sie an Haustüren oder Hausbriefkästen, um zu zeigen, dass es einen aktiven Widerstand gegen den Nationalsozialismus gab.

Hausdurchsuchung und Verhöre nach der Zerschlagung der Widerstandgruppen rund um Josef Neuhold und Hildegard Burger

Am 1. Februar 1941 verhaftete die Gestapo Josef Neuhold, ebenso Hildegard Burger einige Monate später. Josef Neuhold wurde wegen Vorbereitung zum Hochverrat am 28. Juli 1942 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt; Hildegard Burger am 20. Mai 1943 vom Oberlandesgericht Wien. Josef Neuhold starb am 25. August 1942 in der Haft in Wien, an den Folgen der Misshandlungen, noch vor der Vollstreckung des Urteils. Hildegard Burger wurde am 23. September 1943 in Graz hingerichtet.

In den Verhören in Zusammenhang mit den Verhaftungen im Frühjahr und Sommer 1941 wurde die Gestapo auch auf die Witwe eines Rechtsanwalts aufmerksam gemacht, die ebenfalls nicht mit den Nationalsozialisten sympathisieren wolle. Die Gestapo konnte schnell den Namen von Anka Edlinger ermitteln und führte in ihrer Wohnung eine Hausdurchsuchung durch, die aber ergebnislos blieb. Unter den Augen der Gestapo war es Anka Edlinger gelungen, die kompromittierende Korrespondenz, die in einem dicken Umschlag auf ihrem Schreibtisch lag, in die offene Tasche eines Geldbriefträgers zu stecken. Dieser war zuvor von der Gestapo bei der Hausdurchsuchung, mit einer Geldsumme für Anka, in die Wohnung gelassen worden.

Anka Edlinger wurde zur einer Befragung ins Gestapo-Gebäude am Paulustor vorgeladen, und dort von drei Gestapo-Beamten abwechselnd über ihre Beziehungen zu Josef Neuhold und Hildegard Burger verhört. Anka Edlinger gab dabei an, Hildegard Burger nur als Mieterin zu kennen, und mit Josef Neuhold nur über verschiedene Versicherungen gesprochen zu haben. Anka Edlinger sagte später über diese Einvernahme: „Ich wusste aber schon, dass das ein gewöhnlicher Trick der Gestapo ist zu behaupten, der andere hat schon alles gesagt. Es ist ein purer Zufall, dass ich beide kenne. Trotz aller ihrer zum Teil primitiven Tricks ließen sie mich nach Hause gehen.“

 

Verhaftung und die Deportation nach Ravensbrück

Anka Edlinger beschreibt ihre Verhaftung und Deportation wie folgt: „Am 19. September 1944 kamen zwei Mann in meine Wohnung. „Ziehen Sie sich an und kommen Sie mit. Zugleich nahmen sie mir auch das Radio. An diesem Tage wurden viele Frauen verhaftet, alle, die ihnen verdächtig waren. Wir wurden ohne Verhör nach 10-tägiger Polizeihaft und fünftägiger qualvoller Haft in Viehwaggon nach Ravensbrück gebracht.“

 

 

 

 

 

 

 

 

Erste Seite der Zugangsliste des Sondertransports von Graz ins KZ Ravensbrück am 3. Oktober 1944. Anka Edlinger, eine von 59 Frauen dieses Transportes, ist mit der Häftlingsnummer 75062 eingetragen.

Nachdem Anka Edlinger abgeführt wurde, stürmte ihre zwanzigjährige Tochter Erika ins Gestapo Hauptquartier und ließ eine Schimpfkanonade auf die Nazis los. Man wollte sie gerade in Gewahrsam nehmen, als zum Glück Henriette Duić, eine entfernte Verwandte, die von Erikas Vorhaben erfahren hatte zur „Rettung“ erschien. Sie hielt vor den dortigen Herren eine Rede: „Was machen Sie, meine Herren, Sie ist ja noch ein halbes Kind. Sie weiß nicht was sie tut und handelt nur aus Verzweiflung wegen ihrer Mutter. Bitte geben Sie sie mir mit, damit ich auf sie aufpassen kann.“ Erika konnte in Begleitung von Henriette Duić das Gestapogebäude wieder verlassen. Erika Edlinger erzählte ihren Kindern später, dass dies wahrscheinlich ihr Leben gerettet habe.

 

Anka Edlinger kam, gemeinsam mit Christine Berger und vielen Unterstützerinnen der Partisanen der Österreichischen Freiheitsfront aus den Bezirken Leoben und Bruck/Mur, am 3. Oktober 1944 in Ravensbrück, an. Christine Berger berichtete später über ihre Ankunft, dass die Frauen zunächst ins „Zelt“, ein von der Lagerleitung provisorisch errichtetes Aufnahmelager, gebracht wurden. Schon dort wurde Berger mit dem Schrecken des Konzentrationslagers konfrontiert, als sie sah, wie „sie mit der Scheibtruhe die Toten ins Krematorium geführt haben. Das war mein erster Anblick vom Lager“. Anka Edlinger musste bei ihrer Ankunft in Ravensbrück lange Zeit nackt im Schnee warten und wurde schließlich, wegen ihrer Fremdsprachenkenntnisse, einer Tätigkeit im Lagerbüro zugewiesen.

 

Das KZ Ravensbrück war das zentrale Konzentrationslager für Frauen zur Zeit des Nationalsozialismus und lag rund 80 km nördlich von Berlin. Zwischen Mai 1939 und Ende April 1945 wurden rund 120.000 Frauen dorthin verschleppt, davon mindestens 25.000 ermordet.

Ravensbrück unterschied sich kaum von den anderen Lagern. Der Tagesablauf verlief nach demselben Muster: Morgenappell – Zwangsarbeit – Mittagspause (manchmal mit einem Mittagsappell) – Zwangsarbeit – Abendappell. Die Zwangsarbeit wurde dabei unter Aufsicht von Mithäftlingen, den sogenannten Funktionshäftlingen, verrichtet. Die Be- und Überwachung geschah durch SS-Angehörige. Erschwerend zu den Arbeitsbedingungen kam der Hunger hinzu. Körperlich stark geschwächte oder kranke Häftlinge liefen daher auch Gefahr, von den BewacherInnen bei der sogenannten „Selektion“ als arbeitsunfähig eingestuft zu werden, was die Ermordung zur Folge hatte. Manche Häftlinge erhielten von ihren Angehörigen Lebensmittelpakete, wobei die SS deren Inhalt nur zum Teil an die Frauen tatsächlich weitergab.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Brief von Anka Edlinger aus dem KZ Ravensbrück an ihre Kinder. Sie bedankt sich für die zugesandten Lebensmittelpakete, und bittet um baldige Nachricht.

 

 

Die Befreiung und Anka Edlingers Leben nach 1945

Mit dem Näherrücken der Roten Armee begannen die Wachmannschaften das Lager zu evakuieren. Ab 27. April 1945 wurden rund 20.000 Häftlinge, in Kolonnen zu je 800 Personen, in Todesmärschen in Richtung Nordwesten getrieben. Diese tagelangen Märsche kosteten noch vielen Frauen das Leben. Unter den zahlreichen Frauen, die das entstandene Chaos nutzten, und flohen, war auch Anka Edlinger. Sie wurde am 30. April, zusammen mit anderen Österreicherinnen, wie Anna Čadia aus Graz und den Wienerinnen Anna und Hilde Wundsam, Gisela und Pauli Hochmeister, aus dem Lager evakuiert. Unterwegs floh die Gruppe gemeinsam aus der Marschkolonne und sie versteckenden sich im Unterholz. Anna Čadia sagte später über ihre Flucht: „Unsere Herzen schlugen, als wenn eine Reiterkolonne hinter uns her wäre.“ Sie gelangten in das 30 km von Ravensbrück entfernt gelegene Templin, kehrten aber wieder, in das inzwischen von den Wachmannschaften verlassene Lager nach Ravensbrück zurück, da im Umland noch gekämpft wurde.

Erst Mitte Mai 1945 dürfte Anka Edlinger, zusammen mit weiteren Österreicherinnen, Ravensbrück verlassen haben, und nach Österreich zurückgekehrt worden sein. Hier arbeitete sie wieder als Hausverwalterin und lebte bis 1958 in ihrer alten Wohnung am Joanneumring 16. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte Anka Edlinger im Antoniusheim in der Grazer Heinrichstraße, und hatte, laut ihrer Familie, großes Heimweh nach Kroatien. Sie starb am 14. Dezember 1980 in einem Sanatorium in Rekawinkel (Niederösterreich) im 89. Lebensjahr.

Quellen:

  • Widerstand und Verfolgung in der Steiermark. ArbeiterInnenbewegung und PartisanInnen 1938–1945, herausgegeben vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, mit einer Einführung von Heimo Halbrainer, Clio-Verlag, Graz 2019.
  • Heimo Halbrainer/Manfred Mugrauer, Widerstand und Verfolgung in der Steiermark, in: DÖW Mitteilungen 240 / April 2019.
  • Heimo Halbrainer/Gerald Lamprecht, Nationalsozialismus in der Steiermark. Opfer.Täter.Gegner, StudienVerlag, Innsbruck 2015.
  • Heimo Halbrainer, Anna Čadia – die rote Fürsorgerin und die Rote Hilfe in Leoben; https://www.kpoe-steiermark.at/die-rote-fuersorgerin.phtml

WiderstandskämpferInnen



Anka Edlinger

Joanneumring 16