Margarethe (Grete) Eisler

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Familie Eisler (Andrägasse 13):

Eltern:
Margarethe (Grete) Eisler, geb. am 28.6.1896 in Graz als Margarethe Fried, heiratete am 21.10.1920 Walter Eisler.
Führte ein Zucker- und Süßwarengeschäft, zuerst in der Keplerstraße, später in der Kaiserfeldgasse (beides in Graz) und wurde am 10.10.1938 enteignet. Als Kommissarischer Verwalter wurde Walter Penz eingesetzt.
Die Familie Eisler begann ihre Flucht vorzubereiten (Auswanderungsziel Mai 1938: Palästina; ansonsten Australien oder Argentinien).
29. April 1939: Grete Eisler emigriert mit dem sog. „Lisl-Transport“ über das Schwarze Meer nach Palästina.

Walter Eisler, geb. am 26.8.1887 in Graz, heiratete 1920 Margarethe Engel.
Betrieb in Graz einen Getreidehandel, zuerst in der Keplerstraße, später in der Kaiserfeldgasse und wurde am 10.10.1938 enteignet. Als Kommissarischer Verwalter wurde Walter Penz eingesetzt.
29. April 1939: Walter Eisler emigriert mit „Lisl-Transport“ über das Schwarze Meer nach Palästina.

Söhne:

Kurt Eisler, geb. am 18.1.1922 in Graz, gest. 2003 in Köln.
Besuch des Grazer Oeverseegymnasiums; Flucht Ende 1938 mit Jugend-Transport nach Palästina. Arbeit u.a. als Tischler und für ein Transportunternehmen.
1969 Übersiedelung nach Köln (aus beruflichen Gründen).

Hans Eisler; geb. am 10. Februar 1925 in Graz, gest. 1848 in Israel.
April 1939: Flucht mit „Lisl-Transport“ über das Schwarze Meer nach Palästina.
November 1947 Heirat mit Gerda Engel, deren Familie bis 1933 und ab 1936 ebenfalls in Graz lebte (Sie kannten einander in der Grazer Zeit aber noch nicht.)
Hans Eisler fiel im April 1948 im Unabhängigkeitskrieg Israels.

Wohnadressen:

ab 1901: Annenstraße, Volksgartenstraße, Strauchergasse, Auenbruggergasse, ab ca. 1925 in der Feuerbachgasse1 9/I bzw. Andrägasse 13 im sog. Haus „Zanklhof“, das an drei Straßen grenzt: Feuerbachgasse, Kernstockgasse, Andrägasse2. Ein Zugang zu den Wohnungen ist von allen drei Seiten möglich; als Adressangabe bei der Schule eines der Söhne wurde die Andrägasse 13 – möglicherweise der von der Familie üblicherweise benutzten Hauseingang – als Adresse angegeben, weshalb die Stolpersteine vor diesem Eingang verlegt werden.

Wohn- und Geschäftshaus A. Zankl & Söhne ("Zanklhof"), (c) Kulturserver Graz

Wohn- und Geschäftshaus A. Zankl & Söhne („Zanklhof“), (c) Kulturserver Graz

Bei den Auswanderungsunterlagen (Auswanderungsfragebogen) im Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde wurde zuletzt die Adresse Sackstr. 21 angegeben (ohne entsprechende Änderung im Melderegister; ev. handelte es sich bereits eine nicht mehr wirklich freiwillige Wohnstätte, sondern Übergangswohnung nach Auflösung der eigenen Wohnung).

Leben der Familie Eisler:

Die Großeltern väterlicherseits stammten aus dem westungarischen Körmend. Anfang der 1870er Jahre kamen der Agent David und seine Frau Emilie Eisler mit ihrer Tochter Theresia nach Graz. Später wurden sieben weitere Kinder geboren, das jüngste war Walter Eisler, der Vater von Hans und Kurt Eisler. 1901 starb David Eisler.

Walter Eisler betrieb eine Getreideagentur in der Kaiserfeldgasse 24 und war Geschäftsreisender; seine Frau Margarethe (Grete) betrieb ein Zuckerwarengeschäft. Beide Geschäfte wurden 1938 im Zuge der „Arisierungs“-Eineignungen eingestellt bzw. „liquidiert“ (zwangsliquidiert):

Laut „Fragebogen für die Überprüfung der kommissarischen Verwalter“ vom 14. Oktober 1938 hat Walter Eisler sein Geschäft bereits vor Einsetzung des „kommissarischen Verwalters“ Walter Petz im Juni 1938 eingestellt; das Zuckerwarengeschäft von Grete Eisler ist vom kommissarischen Verwalter geschlossen worden, „da jeder Kundenverkehr aufgehört hatte“.

Die Getreideagentur hat Eisler schon vor Einsetzung der kommissarischen Verwaltung eingestellt. Das Zuckerwarengeschäft, das hauptsächlich von der Frau des Juden geführt worden war, wurde vom kommissarischen Verwalter, da jeder Kundenverkehr aufgehört hatte, gesperrt. Die Liquidation beider Geschäftszweige ist bereits beendet.
[…]
Nach Beendigung der Liquidation am 10.10.1938 wurde dem Juden der Kassarest von RM 15,16 ausgefolgt. [:::]3

Geldentnahmen der Familie Eisler aus ihren beiden Unternehmen waren vermutlich nicht mehr möglich, jene für den kommissarischen Verwalter aber – wie im Zuge der Enteignungen üblich – sehr wohl:

Entnahmen des kommissarischen Verwalters: RM 200,– monatlich
Barentnahmen des kommissarischen Verwalters: Vom 11.6. bis 10.10.1938: RM 800,–
[…]
Wie hoch sind die Gehaltsbezüge des bestbezahlten Angestellten oder bei Klein- und Mittelbetrieben die Entnahmen des bisherigen Inhabers?
Keine Angestellten. Vor dem Umbruch hat der Inhaber durchschnittlich 1.000 Schilling monatlich für sich entnommen.“4

Sohn Kurt Eisler besuchte das Grazer Oeversee-Gymnasium, das er – wie alle jüdischen Schüler – mit Ende des Schuljahrs 1938 verlassen musste (zum Gedenken an die Vertreibung der jüdischen Schüler gibt es seit 1993 eine Gedenktafel in der Schule und seit Juni 2017 27 Stolpersteine vor dem Schuleingang) .
Ende 1938, ca. 6 Monate vor der restlichen Familie, konnte er mit einem legalen Jugend-Transport nach Palästina fliehen. Nach den Erinnerungen seiner späteren Ehefrau Gerda Eisler hatte er dafür in Graz den Beruf des Schreiners erlernen müssen und dann lange Zeit in einem Kibbuz gelebt.5

Kurts Eltern und sein Bruder Hans flüchteten am 29. April 1939 mit dem sog. „Lisl-Transport“ – wie im übrigen auch seine spätere Frau Gerda (geb. Engel) und andere Grazer Flüchtlinge6 – illegal7 in das damalige britische Mandatsgebiet Palästina.

Gerda Eisler geb. Engel und Hans Eisler 1947 in Tel Aviv (Archiv Gerda Eisler, entnommen aus G. Eisler: Alles, woran ich glaube, ist der Zufall. Eine Jugend in Graz und Tel Aviv. Hg. von Inga Fischer. CLIO: Graz 2017.

Gerda Eisler geb. Engel und Hans Eisler 1947 in Tel Aviv (Archiv Gerda Eisler, entnommen aus G. Eisler: Alles, woran ich glaube, ist der Zufall. Eine Jugend in Graz und Tel Aviv. Hg. von Inga Fischer. CLIO: Graz 2017.

Hans Eisler lernte Gerda Engel kennen, die beiden heirateten im November 1947, unmittelbar bevor er in den Unabhängigkeitskrieg Israels einrückte. Die Familie Engel stammte auch aus Graz; Gerda und ihre Eltern kamen sogar mit demselben Transport nach Palästina wie Hans und seine Eltern, sie kannten einander aber vorher, also in der gemeinsamen Grazer Zeit, nicht (für Gerda Engels Eltern und Großvater Elias Silber wurden bereits Stolpersteine in der Lazarettgasse verlegt). Im April 1948 fiel Hans im Krieg. 

Nach dem Tod von Hans im April 1948 lernten sich sein Bruder Kurt und seine Schwägerin Gerda Eisler, geb. Engel besser kennen und die beiden kamen sich näher. Am 2. Dezember 1949 heirateten Kurt und Gerda Eisler und gründeten eine Familie.
1969 zogen Kurt Eisler und seine Frau Gerda aus beruflichen Gründen nach Köln, wo Kurt Eisler 2003 verstarb. Gerda Eisler lebt heute in Bergisch Gladbach in der Nähe von Köln.

===== Weitere Eckdaten =====

Judenkataster“:

Walter (Israel) Eisler
geb. 26.8.1887 in Graz
getraut am 21.10.1920 in Graz mit Margarethe Fried
Vater: David Eisler
Mutter: Emilia Baron
Beruf: Kaufmann in Graz
Kinder: 1) Kurt, 2) Hans

Hans (Israel) Eisler
geb. 10.2.1925 in Graz
Vater: Walter Eisler
Mutter Margarethe Fried

Kurt Eisler
geb. 18.1.1922 in Graz
Vater: Walter Eisler Z.N. Israel
Mutter Margarethe Fried

Quellen:

  • Steiermärkisches Landesarchiv: „Judenkataster“,  Adressbücher, „Arisierungs“-Unterlagen: Landesregierungsakt 15 Ei 14 und Handelsgerichtsakt 5734 Eisler Walter.
  • Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Fragebogen Auswanderungsabteilung.
  • Stadtarchiv Graz;
  • Gerda Eisler: Alles, woran ich glaube, ist der Zufall. Eine Jugend in Graz und Tel Aviv. Hg. von Inga Fischer. Mit einem Beitrag von Heimo Halbrainer, Graz: CLIO 2017
  • Mündliche Auskünfte von Gerda Eisler (mehrere Telefonate)

1 Heimo Halbrainer: „[…] lebte die Familie Eisler in Graz. Bereits Anfang der 1879er-Jahre kamen der Agent David und seine Frau Emilie Eisler mit ihrer 1870 geborenen Tochter Theresia aus dem westungarischen Körmend nach Graz, wo 1874 Clara, 1875 Heinrich, 1876 Adele, 1878 Alice, 1880 Sigmund, 1884 Hilda und 1887 schließlich Walter geboren wurde. Die Familie wohnte zeitweise im zweiten Bezirk (Leonhardstraße), ehe sie nach dem Tod von David Eisler 1901 in der Murvorstadt (Bezirk Lend: Annenstraße, Volksgartenstraße, Strauchergasse) niederließ. 1920 heiratete der Geschäftsreisende Walter Eisler Margarethe Fried, mit der er zwei Söhne, Kurt (1922) und Hans (1925) hatte. Sie lebten in der Feuerbachgasse (Bezirk Gries). Ab den 1920er Jahren betrieb Walter Eisler zunächst in der Keplerstraße, später in der Kaiserfeldgasse ein Zucker- und Süßwarengeschäft und eine Getreidevertretung, wobei Margarethe Eisler das Süßwarengeschäft führte.“ (Gerda Eisler: Alles, woran ich glaube, ist der Zufall. Eine Jugend in Graz und Tel Aviv. Hg. von Inga Fischer. Mit einem Beitrag von Heimo Halbrainer, Graz: CLIO 2017)

2 Auf dem Meldezettel steht bis zur Flucht aus Österreich unverändert Feuerbachgasse, in den alten Adressbüchern der Stadt Graz 1925 bis 1931 Feuerbachgasse 9, ab 1934 bis1938 dann Andrägasse 13 (1932–1933 im Landesarchiv nicht verfügbar)) – und in den Unterlagen der Schule von Kurt Eisler, dem Oeverseegymnasium, war ebenfalls Andrägasse 13 angegeben worden; möglicherweise hat die Familie – anders als auf dem Meldezettel – in späteren Jahren den von ihnen üblicherweise benutzten Hauseingang als Adresse angegeben.

3 Stmk.Landesarchiv, Fragebogen für die Überprüfung der kommissarischen Verwalter“ vom 14. Oktober 1938:

4 Stmk.Landesarchiv, Fragebogen für die Überprüfung der kommissarischen Verwalter“ vom 14. Oktober 1938:

Anmerkung: „Fünf Tage nach dem „Anschluss“ an das Deutsche Reich, am 17. März 1938, wurde der Schilling durch die Reichsmark ersetzt. Der Umtauschkurs war 1,50 Schilling = 1 Reichsmark.2 (https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96sterreichischer_Schilling#M.C3.BCnzen_1925.E2.80.931938)]

also:1.000 Schilling wären 667,– RM gewesen. Preisrelationen laut Österr. Staatsarchiv: „Der ‚Anschluss‘ an Deutschland im Jahr 1938 brachte uns die Reichsmark als Währung und auch einen ungünstigen Wechselkurs (1,50 Schilling zu 1 Reichsmark). Für einen Schilling bekam man im Jahr 1930 drei Liter Speiseöl oder für 32 Schilling ein Paar Schuhe.“ (http://www.oesta.gv.at/site/6381/default.aspx)

5 Gerda Eisler: Alles, woran ich glaube, ist der Zufall. Eine Jugend in Graz und Tel Aviv. Hg. von Inga Fischer. CLIO: Graz 2017, S. 86.

6 Zum Beispiel wie Golda Gertler und Mayer Max Gertler und zwei ihrer Kinder: http://www.stolpersteine-graz.at/stolpersteine/gertler-golda/

7 Dr. Gabriele Anderl in einer Ankündigung ihres Vortrags: „Illegal nach Palästina: Der „Lisl-Transport“ – eine Aktion zur Rettung von Grazer Jüdinnen und Juden.“ am 30.11.2016 auf Einladung des Vereins CLIO im GrazMuseum:

Der „Lisl“-Transport zählte zu den wichtigsten Initiativen zur Rettung von Grazer Jüdinnen und Juden während der NS-Zeit. Das Zustandekommen dieses illegalen Flüchtlingstransportes in das damalige britische Mandatsgebiet Palästina war den gemeinsamen organisatorischen Bemühungen des jüdischen Anwalts Willy Perl, der Wiener Sektion des zionistischen Sportverbandes „Makkabi“ und des „Provinzreferates“ der Grazer Kultusgemeinde zu verdanken.
Dieses innerhalb der Wiener Israelitischen Kultusgemeinde eingerichtete „Provinzreferat“ sollte die von den Nationalsozialisten
geforderte möglichst rasche Auswanderung der steirischen jüdischen Bevölkerung gewährleisten. 720 Personen verließen am 29. April 1939 an Bord des DDSG-Schiffes „Helios“ Wien in Richtung Gallatz (Galati), wo sie am 4. Mai auf die „Lisl“ umgeschifft wurden, einen ehemaligen Viehfrachter, der für den Transport von Menschen
adaptiert worden war. Rund 200 weitere Passagiere kamen hier, in Rumänien, an Bord. Das Schiff wurde am 3. Juni 1939 vor der Küste Palästinas von den Mandatsbehörden aufgebracht, die die  Flüchtlinge jedoch kurz nach der Landung freiließen.“ (http://www.erinnern.at/bundeslaender/steiermark/termine/vortrag-illegal-nach-palaestina-der-201elisl-transport201c-2013-eine-aktion-zur-rettung-von-grazer-juedinnen-und-juden)

Jüdische Opfer



VERBUNDENE GEDENKSTEINE

Hans Eisler
Walter Eisler
Kurt Eisler

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Andrägasse 13