Anna Malvine Kallmus

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HIER WOHNTE
ANNA MALVINE KALLMUS
JG. 1878
HAUS “ARISIERT” 1939
UNFREIWILLIG VERZOGEN
1939 WIEN
DEPORTIERT 1941
ŁÓDŹ
ERMORDET 2.8.1944

 

Anna Kallmus erwarb 1919 ein Haus in Frohnleiten, in dem die jüdischen Schwestern Anna und Dora bis 1938 glückliche Zeiten verlebten. Trotz ihrer unterschiedlichen Lebenswege waren die Schwestern sehr eng verbunden: Anna hatte sich für ein ruhiges Leben auf dem Land entschieden, Dora hatte sich über alle Einschränkungen hinweggesetzt und als junge Frau eine Ausbildung zur Fotografin absolviert und ihr eigenes Studio in Wien eröffnet. 1925 verlegte sie ihren Arbeits- und Lebensmittelpunkt nach Paris. Aus den vielen Briefen und aus ihren Tagebucheintragungen geht hervor, dass das „Haus Doranna“ in Frohnleiten immer ihr „zu Hause“ blieb. Sie besuchte ihre Schwester Anna regelmäßig und fand in Frohnleiten Erholung von oft sehr hektischen Zeiten, die ihr erfolgreiches Leben als Fotografin und Unternehmerin in Paris mit sich brachten.

Dora und Anna Kallmus vor ihrem Haus in Frohnleiten, vor 1937 Photoarchiv Setzer-Tschiedel / Imagno

Dora und Anna Kallmus vor ihrem Haus in Frohnleiten, vor 1937
© Photoarchiv Setzer-Tschiedel / Imagno

 

Die Katastrophe begann 1938. Anna Kallmus wurde als Jüdin zum Opfer der nationalsozialistischen Rassenpolitik. Sie war gezwungen, ihr Haus aufzugeben und die Steiermark zu verlassen. Die Marktgemeinde Frohnleiten schloss einen Kaufvertrag mit Anna Kallmus, blieb ihr das Geld aber schuldig. In Wien wartete sie auf die Überweisung der vereinbarten Summe, die sie für ihren Lebensunterhalt und die Vorbereitung ihrer Auswanderung dringend benötigt hätte. Im November 1941 wurde sie deportiert und im August 1944 im sog. Ghetto Lodz ermordet.

Ihre Schwester Dora wurde als Fotografin unter dem Künstlernamen Madame d’Ora weltberühmt. Während der dunklen Zeit des Nazi-Regimes lebte Dora Kallmus in Paris und musste sich dann in Südfrankreich verstecken. Nach dem Krieg kehrte sie nach Paris zurück, wo sie ihre Arbeit wieder aufnahm, was jedoch unter den schwierigen Umständen der Nachkriegsjahre nur sehr eingeschränkt möglich war. Dora konnte nicht an die großen Erfolge anschließen. In einem Restitutionsverfahren erhielt sie das Haus ihrer Schwester zugesprochen. Die letzten Lebensmonate verbrachte sie in diesem Haus, das jedoch weiterhin von mehreren anderen Parteien bewohnt wurde, es blieb nur wenig Platz für Dora Kallmus, die von Frau Marianne Stocker betreut wurde. Im Oktober 1963 verstarb die berühmte Fotografin und wurde auf dem Friedhof in Frohnleiten beigesetzt.

Das Schicksal der Kallmus-Schwestern blieb in Frohnleiten sehr lange unbemerkt, die Geschichte der „arisierten“ Häuser und die Vertreibung ihrer jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner wurde bis ins 21. Jahrhundert ignoriert. Anlässlich des 50. Todestages von Dora Kallmus fand 2013 die erste Ausstellung in Frohnleiten statt, die sowohl das tragische Leben von Anna Kallmus anhand von Dokumenten darstellte als auch Einblicke in das mittlerweile hoch geschätzte künstlerische Werk von Madame d’Ora gab.

Im Herbst 2020 wurden zwei Orte des Gedenkens für die beiden Schwestern eingerichtet. Vor dem ehemaligen Haus „Doranna“ in der Dr.-Ammann-Straße wurden für Anna Malvine und Dora Philippine Kallmus zwei „Stolpersteine“ verlegt und eine Informationstafel aufgestellt. Auf dem Friedhof in Frohnleiten-Adriach ließ die Stadtgemeinde eine Gedenkstätte errichten.

Recherche und Biografie: Dr. Edda Engelke

Jüdische Opfer



VERBUNDENE GEDENKSTEINE

Dora Kallmus

Anna Malvine Kallmus

Frohnleiten, Dr.-Ammann-Straße 7