Salka Silberstein

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Geburt Markus Silberstein: 26. Mai 1890 in Kielce (Polen)
Geburt Salka Teitelbaum, verheiratete Silberstein: 22. Jänner 1893 in Kielce (Polen)
Geburt Amelie (Melanie) Silberstein: 5. Dezember 1918 in Graz
Geburt: Otmar (Otto) Silberstein: 16. August 1920  in Graz
15. Juni 1935: Anmeldung zum Handelsregister der Firma „Rekord – Dicker & Silberstein“, Sackstraße 16
9. Juli 1936: Eintragung der Firma „Modehaus Markus Silberstein“, Mariahilferstraße 3
16. Oktober 1937: Abmeldung von Amelie von Conrad-von-Hötzendorfstr. 3/I nach Heirat mit Ernst Rachmuth.
Mai bis Ende Juni 1938: Markus Silberstein in „Schutzhaft“
30. August 1938: Ansuchen um Finanzierung einer Schiffsreise für 4 Personen
18. Oktober 1938: Markus Silberstein beantragt eine Ausreise in die USA für 3 Personen
28. Oktober 1938: Abmeldung von Adresse Conrad-von-Hötzendorfstr. 3
17. Juli 1939: Abmeldung von Salka Silberstein aus Graz mit Vermerk Italien als Zielland
März 1948: Max und Sara Silverstein leben in Daytona Beach, Florida, USA

Die Familie Silberstein lebte im Jahr 1938 bei der Adresse Conrad-von-Hötzendorfstraße 3 im 1. Stock. Tochter Melanie war ein Jahr zuvor im Oktober 1937 nach der Heirat mit Ernst Rachmuth ausgezogen und lebte danach vermutlich in Rumänien. Zum Zeitpunkt des „Anschlusses“ wohnte das Ehepaar Markus und Salka Silberstein, ihr Sohn Otto und Schwiegermutter Ruchla Teitelbaum (Tetelbaum) bei dieser Adresse.

Briefkopf der Firma Modenhaus Markus Silberstein im Jahr 1938 Quelle: Steiermärkische Landesarchiv

Briefkopf der Firma Modenhaus Markus Silberstein im Jahr 1938. Quelle: Steiermärkische Landesarchiv

Die Familie besaß das Kleidergeschäft „Modehaus Markus Silberstein“ in der Mariahilferstraße 3, direkt am Murplatz (heute Südtirolerplatz). Darüber hinaus war Markus Silberstein seit Mitte der 1930er Jahre Geschäftsleiter der Filiale „Warenhaus Rekord“ in der Sackstraße 16. Dieses Geschäft war von Michael Dicker, der noch als Teilhaber fungierte, kurz vor dem Ersten Weltkrieg gegründet worden.

Markus Silberstein stammte aus Kielce, Russisch-Polen. Seine Eltern waren Abraham und Amalia Silberstein. Er hatte mehrere Geschwister, Heinrich und Robert Silberstein, sowie Schwester Frieda Rothenburg, die in den USA lebte. Sein jüngerer Bruder Robert betrieb ein „Kleider- und Wäschehaus“ in der Neutorgasse 6-8 bzw. Marburgerkai 5. Auch Ehefrau Salka Silberstein hatte mehrere Geschwister, darunter Josef Tetelbaum und Nathan Boruchowicz (auch Boruchowics), der eine Namensänderung von Teitelbaum durchgeführt hatte. Gemeinsam mit seiner Frau Karoline Boruchowicz, geborene Glücksmann, wohnte er seit Mitte der 1930er Jahre in der Josef-Huber-Gasse 4 im dritten Stock. Salkas Eltern waren Berek (Bernhard) und Ruchla Teitelbaum.

Im Mai 1938 wurden die Geschäfte der Familie Silberstein unter „kommissarische Verwaltung“ gestellt, womit die NS-Behörden die „Entjudung“ der Wirtschaft einleiteten. Als „kommissarischer Verwalter“ wurden Wilhelm Wogrinetz und Alois Putzl für die Filiale Sackstraße 16 eingesetzt. Nach Abnahme des Gewerbescheines war Markus Silberstein jegliche Einkommensmöglichkeit genommen. Aufgrund des steigenden Drucks und Gefahr des völligen Ruins schloss Markus Silberstein am 17. Juni 1938 einen Kaufvertrag mit dem ihm bekannten Wilhelm Egger ab, der selbst Mitglied der NSDAP war. Egger versprach als Gegenleistung, die Flucht nach Jugoslawien zu organisieren. Schließlich trat Kurt Schletter als Käufer des Geschäftes in Erscheinung und benannte es in „Volksbekleidungsgeschäft Schletter Kurt“ um.

Schon im Mai 1938 wurde Silberstein mehrere Wochen in sog. „Schutzhaft“ genommen, nachdem er sich geweigert hatte, die Schlüssel seines Geschäftes den NS-Schergen zu übergeben. Besonders Ehefrau Salka Silberstein litt darunter, dass ihr Mann im Gefängnis saß. Im August nötigte man ihm unter Androhung einer neuerlichen Haft ab, dem Abverkauf seiner Waren zuzustimmen.

Auch die geräumige Wohnung mit sieben Zimmern in der Conrad-von-Hötzendorfstraße musste die Familie Ende Oktober 1938 räumen. Während Markus und Salka gemeinsam mit ihrem Sohn Otmar zur Familie des jüngeren Bruders Robert Silberstein in die Neutorgasse 8/I übersiedelten, zog Ruchla Teitelbaum in die Josef-Huber-Gasse 4/III zu Nathan und Karoline Boruchowicz. In der Neutorgasse lebten nun zwei Familien auf engstem Raum.

Haus Mariahilferstr. 3 im Jahr 2015 Foto: David Kriebernegg

Haus Mariahilferstr. 3 im Jahr 2015 Foto: David Kriebernegg

Bereits seit dem Spätsommer 1938 planten Markus und Salka die Flucht aus Graz und suchten um Schiffskarten in die USA für vier Personen an, am 18. Oktober ein zweites Mal für drei Personen. Am 5. November erfolgte die Belegung mit der „Reichsfluchtsteuer“ durch die NS-Behörden, die zur weiteren Ausplünderung der jüdischen Vertriebenen diente. Sie hatte die Funktion einer Teilenteignung jüdischer AuswandererInnen, die sich durch den Verfolgungsdruck zur Flucht aus ihrem Heimatland entschlossen hatten.

Im Zuge der Novemberpogrome setzte eine Verhaftungswelle ein, von der auch die Familien Silberstein betroffen waren. Während Markus Silberstein in Haft saß, wurde Bruder Robert und dessen Sohn Otto ins KZ Dachau deportiert. Otmar, Sohn von Markus und Salka, gelang es unterzutauchen und sich der Verhaftung zu entziehen. Ihm glückte schließlich die Flucht nach England. Hier dürfte er nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Paris im Juni 1940 als „enemy alien“ interniert und anschließend nach Australien ausgeschifft worden sein. In England galten Flüchtlinge aus dem Deutschen Reich als Sicherheitsrisiko und potentielle Spione.

Markus Silberstein galt seit dem 15. Dezember 1938 aus Graz abgemeldet.

Ab Jänner 1939 dürfte er in der Großen Mohrengasse 35, im zweiten Wiener Gemeindebezirk Leopoldstadt, gelebt haben. Laut Gestapo wäre er am 11. Juli 1939 ins Ausland emigriert. Salka Silberstein war bis zum 17. Juli 1939 in Graz gemeldet. Als ihr neuer Aufenthaltsort wurde Italien vermerkt.

Beiden gelang schließlich die Flucht in die USA, wo sie in Daytona, Florida, lebten und sich nun Max und Sara Silverstein nannten. Ihr Sohn Otmar übersiedelte später von Australien in die Vereinigten Staaten und konnte seine Eltern dort wiedersehen. Auch er änderte seinen Namen in Otto Silverstein und machte als passionierter Musiker Karriere. Er spielte die Violine beim Kansas City Symphony Orchestra bis zum Jahr 1976. Im Juni 1986 verstarb er 65jährig alleinstehend in Florida. Schwester Amelie (Melanie) galt nach dem Kriegsende 1945 als verschollen, ihre Spuren verlieren sich in Osteuropa.

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Mariahilferstr. 3