Berthold Salz

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BERTHOLD SALZ
JG. 1932
FLUCHT
POLEN, SOWJETUNION

 

Es ist Lisa Salz zu danken, dass die außergewöhnliche Lebensgeschichte von Laura Weinberger und Markus Salz aufgeschrieben und somit überliefert wurde.[1] In ihrem Manuskript erzählt sie über das Leben der jüngsten Weinberger-Tochter, deren Mutter 1931 verstarb, ein Jahr nachdem die 20-jährige Laura mit Markus Salz verheiratet worden war.

Markus wurde in eine jüdisch-orthodoxe Familie im Norden von Ungarn geboren, das Gebiet gehört jetzt zur Ukraine, damals hieß der Ort Munkacs. Er war der jüngste von vier Geschwistern und – wie Lisa Salz schrieb – wahrscheinlich war er am wenigsten orthodox. Gemeinsam mit seinem Bruder baute er einen Gemüsehandel in Karlsbad/Karlovy Vary auf. Die Eltern von Markus konsultierten einen Heiratsvermittler, um eine angemessene Braut für ihn zu finden. Er schlug Laura Weinberger vor, die in einem orthodoxen Elternhaus in Österreich aufwuchs und vier Geschwister hatte: Lotzi, Albert, Yoland und Ignatz.

Laura und Markus heirateten, Laura wurde bald schwanger. Sie entschied sich für eine Entbindung im Haus ihrer Eltern mit ihrer ehemaligen nanny in Frohnleiten. Bert (Berthold) erhielt seinen Namen nach der verstorbenen Großmutter Bertha (Betty) Weinberger. Bert und seine Eltern blieben nach der Entbindung nur eine Woche in Frohnleiten, aber in den nächsten Jahren besuchte er seine Großeltern sehr oft. Er erzählte immer mit großer Freude von diesen Besuchen und dass er immer sehr verwöhnt wurde, er bekam seine Lieblingsessen und ging in die Gemischwarenhandlung seines Großvaters, wo auch der Bruder seiner Mutter arbeitete.

Die Geschäfte von Markus Salz in Karlsbad/Karlovy Vary liefen gut, doch nach dem Anschluss Österreichs und der Annexion des Sudetenlandes im September 1938 entschloss sich die Familie zur Flucht. Bert und seine Eltern fuhren nach Frohnleiten, um sich vom Großvater zu verabschieden, bevor sie nach Polen abreisen, das sie für ein Land mit mehr Sicherheit hielten. Der Großvater (Moritz Weinberger) begleitete sie nach Wien und brachte sie zum Zug. Auf ihrem Weg stoppten sie noch am Naschmarkt, dann nahmen sie den Zug nach Osten.

Die Familie nahm den Zug nach Polen, aber dort war es 1938-39 nicht sicherer für Juden. Familie Salz und einige andere Reisende wurden aus dem Zug geholt und in ein kleines Haus gesteckt, wo sie stundenlang mit erhobenen Händen stehen mussten. Dann kam plötzlich ein Offizier und befahl ihnen, zurück zu gehen zum Zug. Als die Familie schließlich in Russland ankam, wurden sie nach Stalinabad, Tajikistan, verbracht, in ein Flüchtlingslager. Stalinabad hieß davor Dushanbé, es ist die Hauptstadt von Tajikistan[2], ein Land im Norden von Afghanistan. Einige Flüchtlinge wurden nach Sibirien verschickt, vor allem die körperlich gesund waren. Familie Salz zählte zu dieser Gruppe, Berthold erzählte später, wie er mit seinem Vater durch den Schnee stapfte und gegen die Erfrierungen ankämpfte. Es ist unklar, wie lange die Familie in Sibirien blieb; Markus musste im Kohlebergbau arbeiten, wahrscheinlich kehrten Laura und das Kind zurück in das Lager in Dushanbé. Bert besuchte die Schule und lernte bald Russisch. Dann erkrankte seine Mutter Laura wie so viele im Lager an der Ruhr, sie starb im Mai 1944 und ließ Bert allein zurück, er war ungefähr 12 Jahre alt. Man steckte ihn in ein Waisenhaus, das er hasste. Nach kurzer Zeit lief er davon. Als sein Vater von Lauras Tod informiert wurde, eilte sofort zurück zu seinem Kind, aber er konnte Bert nicht finden.

In Lisas Text ist zu lesen, dass der zwölfjährige Bert mit einer Gruppe von Burschen durch die Straßen von Tashkent zog, und von ihnen lernte, wie man als Taschendieb vorgehen musste. Dies würde bedeuten, dass er von Tadjikistan nach Usbekistan geflüchtet war und dort für kurze Zeit auf sich allein gestellt war, durch einen Zufall fand ihn sein Vater.

Markus Salz schloss sich einer kämpfenden (angeblich tschechischen) Einheit an und es blieb nichts anderes übrig, als das Kind mitzunehmen an die Front. Bert wurde das Maskottchen der Einheit, er aß und schlief mit den Soldaten. Als der Krieg endete, kehrten Markus und Bert Salz in einem Viehwagen aus Russland zurück, sie schafften es bis nach Prag und kehrten dann nach Karlsbad/Karlovy Vary zurück. Markus eröffnete ein Kaufhaus, das ein großer Erfolg wurde. Doch dann ergriffen die Kommunisten im Februar 1948 die Macht in der Tschechoslowakei und er wurde gewarnt, dass er als Unternehmer verhaftet werden sollte. So flüchteten Markus und Berthod Salz erneut und kamen in ein Lager in München. Das Leben des mittlerweile 18-Jährigen blieb turbulent, er konnte mehrere Sprachen, hatte aber keinen Schulabschluss und keine Ausbildung. 1951 erhielten Bert und sein Vater ein Visum für die Einreise in die USA, wo sich Bert mit viel Energie das Studium zum Wirtschaftsprüfer abschloss.

Berthold Salz lernte Lisa Friedenfeld kennen und heiratete sie mit der Zustimmung ihrer Eltern. Die Hochzeitsreise führte das junge Paar nach Österreich, wo sie Berts Onkel Albert Weinberger in Wien besuchten. Gemeinsam fuhren sie nach Frohnleiten, wo sie nach Spuren der Familie Weinberger suchten, die 1938 vertrieben worden war.

Bert und Lisa blieben immer in Kontakt mit „uncle Albert“ und sie besuchten ihn mehrfach in Wien. Im Jahr 2000 waren sie Gäste der Jüdischen Gemeinde Graz bei der Eröffnung der Neuen Synagoge.

Berthold Salz und Albert Weinbert 1963 vor der ehemaligen Gemischtwarenhandlung der Famlie Weinberger

Berthold Salz und Albert Weinberger 1963 vor der ehemaligen Gemischtwarenhandlung der Famlie Weinberger
Quelle: ©Lisa Salz


 

Recherche und Biografie: Dr. Edda Engelke

[1] Lisa Salz, The Life of Berthold Salz. Englisches Original im Bestand von Edda Engelke.

[2] 1991 erhielt die Stadt ihren ursprünglichen Namen Dushanbé zurück und ist immer noch die Hauptstadt des Landes.

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