Anna (Johanna) Brandner

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HIER WOHNTE
ANNA (JOHANNA) BRANDNER
JG. 1932
INTERNIERT
LAGER SALZBURG-MAXGLAN
DEPORTIERT 1943
AUSCHWITZ
ERMORDET 28.2.1944

 

Die aus Leoben stammende und in der Obersteiermark aufgewachsene Leopoldine Brandner hatte sechs Kinder. Zwei ihrer Töchter erlitten dasselbe Schicksal wie sie.
Melanie Brandner wurde am 28. November 1927 geboren. Zu dieser Zeit war ihre Mutter Leopoldine im Hotel Sonnenaufgang in der Fasangasse 23 im 3. Wiener Gemeindebezirk gemeldet. Ihre Schwester Anna kam am 7. Jänner 1932 in Baden bei Wien zur Welt.
1938 waren beide Schwestern in Graz gemeldet und lebten mit ihrer Mutter in der Ägydigasse.

Internierte Sinti und Roma im Lager Maxglan

Internierte Sinti und Roma im Lager Maxglan
Quelle: Verein Ketani in Salzburger Nachrichten


 

Über weitere Stationen landete die Familie im „Zigeuneranhaltelager“ bzw. Zwangsarbeitslager Salzburg-Maxglan. Die Errichtung dieser Anhaltelager für Roma und Sinti auf dem Gebiet des heutigen Österreich erfolgte ab Herbst 1940. Sie dienten zum einen der Sammlung und Internierung der Roma und Sinti, um Orte „zigeunerfrei“ zu machen, waren sie zum anderen auch Ausgangsorte für die Deportationen in Konzentrations- und Vernichtungslager. Zum dritten ermöglichten sie außerdem den bedingungslosen Zugriff auf die arbeitsfähigen Häftlinge und damit deren uneingeschränkte Ausbeutung. Das Lager wurde streng bewacht und das Alltagsleben war reglementiert – die Lagerordnung regelte einerseits die Einteilung der Zwangsarbeit, aber auch Bestrafungsmaßnahmen bei Übertretungen der Lagerordnung, die Zensur des Briefverkehrs, Nachtruhe, Alkoholverbot etc. Aufgrund des sumpfigen Bodens kam es zu einem sehr schlechten Zustand des Lagers, als Folge dessen grassierten viele Krankheiten. Neben Arbeitseinsätzen, unter anderem beim Bau der Reichsautobahn bei Maria Plain oder beim Bau von Hotels in Bad Gastein wurden Häftlinge – vornehmlich Kinder – auch als Statisten für den Film „Tiefland“ von Leni Riefenstahl eingesetzt.

Die skrupellose Ausbeutung der Roma und Sinti ist als Schritt im Kontext weiterer und sich zunehmend verschärfender Verfolgungsmaßnahmen zu sehen. Trauriger Höhe- und gleichzeitig Schlusspunkt war schließlich der sogenannte „Auschwitz-Erlass“ von SS-Reichsführer Heinrich Himmler im Dezember 1942 – dieser legte den „Ausrottungsplan“ aller „Zigeuner“ und „Zigeunermischlinge“ fest. Die Umsetzung erfolgte ab dem Frühjahr 1943: Eine halbe Million europäischer Roma und Sinti hat den Holocaust nicht überlebt, von den 11.000 in Österreich lebenden wurden zwei Drittel Opfer des Porajmos.

Stätten des Völkermords an den Sinti und Roma

Stätten des Völkermords an den Sinti und Roma
Quelle: Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, in Deutsche Welle


 

Neben dem Lager Lackenbach in Burgenland gehörte jenes in Salzburg-Maxglan zu den größten „Zigeunerlagern“ in Österreich. Diese funktionierten ähnlich wie die großen Konzentrationslager: Terror und Gewalt sowie Not und Elend prägten den Alltag in den als Familienlager geführten Einrichtungen. Zwar war in diesen Lagern die Überlebenschance größer, jedoch handelte es sich dabei nur um Durchgangsstationen – für viele wurde die spätere Deportation in die Vernichtungslager des Ostens spätestens nach dem „Auschwitz-Erlass“ grausame Realität. Das Lager in Salzburg-Maxglan wurde komplett aufgelöst. Überlebenschancen hatten nur „Arbeitsfähige“, die aus Transporten selektiert und diversen Arbeitskommandos zugeordnet wurden. Im bei Salzburg gelegenen Lager verbrachte Leopoldine Brandner mit ihren Kindern und ihrem Partner Friedrich Krems rund zweieinhalb Jahre, ehe sie zu Beginn des Jahres 1943 in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert- und am 18. Februar 1943 dort ermordet wurde. Zwei ihrer Töchter mussten diesem Weg folgen: Melanie wurde am 3. März 1943 mit der Nummer Z-5903 in Auschwitz registriert. Neun Monate später wurde sie am 11. Jänner 1944 am selben Ort ermordet. Anna bekam die Nummer Z-6586 und wurde am 28. Februar 1944, wenige Wochen nach ihrer älteren Schwester, von den nationalsozialistischen Schergen ermordet.

Gedenkstätte am ehemaligen

Gedenkstätte am ehemaligen „Zigeunerlager“ in Ausschwitz-Birkenau
Quelle: Deutsche Welle


 

Im Gedenken an die beiden Kinder stehen ihre Namen auf den Stolpersteinen verewigt neben jenem ihrer Mutter in der Ägydigasse 6. Diese Adresse wird in einem Schreiben des Grazer Oberbürgermeisters an den Reichsstatthalter Steiermark im Dezember 1940 genannt und findet sich außerdem in den Unterlagen der Rassenhygienischen Forschungsstelle von Robert Ritter in Berlin, welche die Begutachtungen von „Zigeunern“ im Deutschen Reich erarbeitete und somit maßgeblich an der Grundlage für die Ermordung und Zwangssterilisation Tausender Roma mitwirkte. Offenbar war der Ort ein bedeutender Wohnplatz für die in Graz lebenden Roma, die von den Nationalsozialisten vertrieben und ermordet wurden.

Recherche und Biografie: Mag. Thomas Stoppacher

Quellen:

  • Stadtarchiv Wien, Anfragebeantwortung MA 8 – B-MEW-649421-2021, 29.05.2021.
  • Meldezettel der Stadt Graz: Leopoldine Brandner.
  • Kulturverein Österreichischer Roma, Opferdatenbank der im Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten österreichischen Roma und Sinti: Melanie Brandner, Anna Brandner.
  • Sterbebücher Auschwitz.
  • Gert Kerschbaumer (Personenkomitee Stolpersteine Salzburg): Verzeichnis der unterm NS-Regime von Salzburg nach Auschwitz-Birkenau B.II.e deportierten Sinti: www.stolpersteine-salzburg.at (abgerufen am 16.10.2021).
  • Sabine Schweitzer, „Anständig beschäftigt“. Dezentrale nationalsozialistische „Zigeunerlager“ 1938-1945 auf dem Gebiet des heutigen Österreich, Mattersburg 2021.
  • Kulturverein Österreichischer Roma, Vom Rand in die Mitte. 20 Jahre Kulturverein Österreichischer Roma, Oberwart 2011.
  • Till Bastian: Sinti und Roma im Dritten Reich. Geschichte einer Verfolgung, München 2001.
  • Erika Thurner, Die Verfolgung der österreichischen Roma. Text für die Ausstellung 1938. NS-Herrschaft in Österreich, in: ww.doew.at (aufgerufen am 30.10.2021).

Roma-Opfer



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