Johann Grahsl wurde am 16. Dezember 1887 in Straden, in der Südsteiermark beim vulgo „Haus Schusterpaul“ geboren. Seine Eltern Ignaz und Apollonia waren Bauernleute und er war das jüngste von fünf Kindern. Zwei seiner Geschwister starben bereits im ersten Lebensjahr. Seine Halbschwester Johanna ist auch im „Haus Schusterpaul“ aufgewachsen und ihre Nachkommen leben heute auf diesem Hof. Seine Schwester Maria, die in Krieglach begraben ist, blieb kinderlos. Sein Bruder Ignaz arbeitete später als Briefträger in Eibiswald.
Johann Grahsl studierte Theologie in Graz und wurde im Jahr 1911 zum Priester geweiht. Er war auch gelernter Elektriker. Diese Prüfung muss er vor oder während seines Theologiestudiums abgelegt haben. Von 1911 bis 1915 war er als Kaplan in St. Johann in Saggautal und von 1915 bis 1917 in Breitenau tätig. Mit 1. September 1917 trat er seinen Dienst als Pfarrer in Gasen an, wo er fast 30 Jahre und bis zu seiner Verschleppung am 5. April 1945 tätig sein sollte.
Nach der Ankunft des jungen Pfarrers in Gasen im Jahr 1917 wurden kirchliche Vereine aktiviert, die Anzahl der Kommunionen stieg und mehrere Knaben wurden zum Priesterstudium geschickt. Die Pfarrhofgründe hat Grahsl wieder selbst in Bewirtschaftung genommen, ohne die früheren Robotleistungen der Pfarrbewohner zu beanspruchen. Als vorbildlicher Landwirt hat er als einer der ersten in Gasen Kunstdünger verwendet und einen Benzinmotor angeschafft, mit dem er auch zu anderen „Dörflern und Bauern“ ausfuhr, damit sie ihn benützen konnten. Er war einer der ersten Radfahrer in Gasen und auch das erste Radio im Ort war im Pfarrhof zu finden.
Im Jahr 1918 gab es für Gasen etwas Sensationelles bei der hauptsächlich Pfarrer Grahsl die Hände im Spiel hatte. Bei der Weihnachtsmesse 1918 war in der Kirche zum ersten Mal elektrisches Licht. Die Mühldurl Mühle und auch die Flasch Mühle wurden unter der Anleitung des Pfarrers zu einem E-Werk umgebaut. Vom Gemeinderat wurde Grahsl im Oktober 1919 zum Obmann dieser Genossenschaft des „Gemeindestromwassers“ gewählt. Diese Funktion übte er sehr lange aus, denn 1934 wurde wieder ein Ansuchen um Beibehaltung dieser Obmann-Funktion vom Ordinariat bestätigt. Der Ort Gasen bezog bis 1952 elektrischen Strom aus diesen E-Werken, die durch die Bauleitung von Pfarrer Grahsl errichtet wurden, erst dann erfolgte der Anschluss an die Pichler Werke.
Im Dezember 1920 wurde der Pfarrer vom Gemeinderat, zusammen mit dem Oberlehrer und dem Bürgermeister als Aufsichtsperson für schwer erziehbare bzw. verurteilte Jugendliche bestimmt. Durch seine Wesensart war er auch vielen Ortsbewohnern als Fürsprecher bei Ämtern und Behörden behilflich. Ebenso wurden seine Dienste als Uhrmacher von der Bevölkerung gerne angenommen. Beim Kirchgang sind die kaputten Uhren in den Pfarrhof mitgenommen worden, die dann vom Pfarrer wieder in Ordnung gebracht wurden. Auch die Kirchturmuhr wurde von ihm kontrolliert und mitbetreut. Er war bei der Gemeinde Mitterbach Gemeindekassier.
1931 erhielt Pfarrer Grahsl die Ehrenbürgerschaft von der Gemeinde Mitterbach. Im Jahr 1936 fand sein 25-jähriges Priesterjubiläum in Gasen statt. Bei dieser Feier wurde dem Pfarrer auch von der Gemeinde Sonnleitberg die Ehrenbürgerschaft zugesprochen. 1942 wurde ihm der Titel „Geistlicher Rat“ verliehen.
Zeitzeugenberichte über Pfarrer Grahsl
Franz und Rosa Köberl vulgo Schaffer erinnerten sich: „Man muss sagen, dass der Pfarrer in den geistlichen Angelegenheiten ein sehr strenger Mensch war. Der Religionsunterricht war in der Nazi-Zeit in der Schule untersagt. Dafür wurde vom Pfarrer in der Kirche eine „Erbauungsstunde“ abgehalten, zu der er die Kinder direkt vor der Schule abholte.“ Bei den Prüfungen, vor der Erstkommunion oder Firmung, war er sehr streng. Man musste genau nach dem Wortlaut, wie wir es gelernt haben, antworten.
Königshofer Margaretha vulgo „Ömarin“ erzählte, dass der Pfarrer in kirchlichen Belangen ein sehr strenger und konservativer Kleriker war. Während er sich auch um verarmte Familien kümmerte, stand er etwa Müttern von unehelichen Kindern äußerst ablehnend gegenüber.
Pfarrer Grahsl erkannte schon früh die Gefahr der Nationalsozialisten, wie aus einem Eintrag in der Pfarrchronik von 1937 hervorgeht:
„Die heimliche Wühl- und Zersetzungspropaganda der Nationalsozialisten griff auch hier immer mehr um sich. An entlegenen Orten und Almhütten halten sie geheime Zusammenkünfte, um auf diese Weise den staatsfeindlichen Geist gegen Österreich auch der hiesigen bäuerlichen Bevölkerung einzuimpfen. Bei diesen Apellen, so nannten sie die Zusammenkünfte, wurden Reden gehalten und Flugblätter verteilt, in denen die kirchen- und priestertreue Bevölkerung von Gasen sehr stark angegriffen wurde und Priester immer wieder verleumdet wurden.“
Die Verfolgung von Pfarrer Grahsl in der NS-Zeit
Unmittelbar nach dem „Anschluss“ im März 1938 forderten örtliche NSDAP-Mitglieder, dass der Pfarrer versetzt werden sollte: „… man möge doch den Pfarrer Grahsl von Gasen versetzen, da er sich schon seit Jahrzehnten als ein entschiedener Gegner der NSDAP gezeigt und sein Standpunkt sich bis heute nicht verändert habe, und daher Gefahr bestehe, dass die Bevölkerung von Gasen gegen den Pfarrer demonstriert.“
Dieses Schreiben mit 20 Unterschriften als Unterstützungserklärungen wurde an das fürstbischöfliche Ordinariat nach Graz gesandt. Als die Aktion in Gasen bekannt wurde, sind Unterschriften für den Verbleib des Pfarrers gesammelt worden. Man zählte 361 Unterschriften, die ebenfalls nach Graz geschickt wurden. So konnte Johann Grahsl als Pfarrer in Gasen bleiben.
Er stand fortan unter ständiger Beobachtung und wurde für jeden noch so kleinen „Fehltritt“ angezeigt und gestraft. So im Juni 1940, als der Pfarrer das anlässlich des deutschen Einmarsches in Paris angeordnete Glockengeläut um einen Tag zu spät durchführen ließ. Dieses Versäumnis war Grund genug, um ihn anzuzeigen.
Da auch die Fronleichnamsprozession verboten war, organisierte Grahsl einen Umzug um die Kirche. Aber auch das war nicht erlaubt, weshalb er gemeinsam mit einem Pfarrer aus St. Marein von 6. bis 11. Juli 1940 bei der Geheimen Staatspolizei in Graz in Haft war. Im Jahr 1942 wurde Pfarrer Johann Grahsl wegen einer „harmlosen Bemerkung“, die ihm aber übel ausgelegt wurde, zu einer Geldstrafe von 500 Reichsmark verurteilt. Am 6. Juni 1944 wurde in Gasen Firmung gefeiert. Als Gasner Burschen den Bischof verbotenerweise mit Böllerschüssen willkommen hießen, wurde Grahsl auch für diesen „Willkommensgruß“ angezeigt.
April 1945 – Das Verbrechen an Pfarrer Johann Grahsl
In der Pfarrchronik von Gasen kann man folgendes lesen:
„Etwa um 21 Uhr 30 fuhr ein Auto von Birkfeld kommend in Gasen ein. Bald darauf erschienen zwei Burschen in Zivil gekleidet im Pfarrhof, wo außer der im Dienst stehenden Josefa Strahlhofer schon alles zu Bett gegangen war. Die beiden Zivilisten verlangten in dringender Angelegenheit den Herrn Pfarrer persönlich zu sprechen. Der Pfarrer wurde verständigt und er kam sogleich nur mit Hose, Strickweste und Hausschuhen bekleidet von seinem Zimmer. Frau Strahlhofer ging dann wieder in die Küche zurück, bemerkte aber bald eine unheimliche Stille. Die Herren haben schnell und überraschend den Pfarrhof wieder verlassen. Die Haustür stand noch offen. Mit Leerlauf fuhr das Auto vom Dorfplatz Richtung Birkfeld wieder davon. Sehr sonderbar war, dass der Volkssturm an diesem Abend nicht wie gewohnt patrouillieren musste, sondern neue Routen zugewiesen bekommen hat. Nur so war es möglich, dass ein Auto unbemerkt bleiben konnte.“
Ein möglicher Zusammenhang mit der Verschleppung von Johann Grahsl besteht mit der Aufdeckung einer Gruppe von Freiheitskämpfern in Fischbach. Als die Gruppe aufgeflogen war, rechtfertigte sich eine Frau laut Augenzeugen mit den Worten: „I hob ma do denkt, wenn do da Pfarrer Grahsl von Gasen und der Arzt Teuschel von Birkfeld ah mittoan, dann kann dies jo nichts Schlechtes sein, wenn ma do ah dabei ist.“ Drei Tage später wurde Pfarrer Grahsl verschleppt und fünf Tage später der Arzt Emil Teuschel aus Birkfeld.
Mitte März 1945 hatte eine SS-Sondereinheit ihr Quartier in Birkfeld bezogen und zog Anfang April in das Reichsarbeitsdienstlager (RAD) nach Haslau weiter. Aufgabe dieser Gruppe war es, unter anderem politische Gegner in der Bevölkerung ausfindig zu machen und zu liquidieren. Gegen diese Offiziere wurde nach Kriegsende vom Landesgendarmerie-Kommando-Steiermark auf Kriegsverbrechen ermittelt. Es zeigte sich bald, dass diese Gruppe in mehreren Verbrechen in der Region verwickelt war. Es waren insgesamt 29 Mordfälle, einer davon war jener von Pfarrer Grahsl. Bei diesen Erhebungen ging hervor, dass der Hauptsturmführer und der Sturmführer vom RAD-Lager Haslau schwer unter Verdacht standen, dass sie Pfarrer Grahsl geholt haben sollen. Die Erhebungen führten zu keinen handfesten Beweisen, sodass die mutmaßlichen Täter nach der Untersuchungshaft wieder freikamen. Es konnten auch die genauen Umstände der Ermordung nicht geklärt werden.
Das Verbrechen an Pfarrer Grahsl blieb nicht unbeobachtet
Vor ihrem Sterben im Jahr 1986 berichtete eine Augenzeugin, was sie damals zu Kriegsende gesehen hatte. Im April 1945 arbeitete sie mit zwei anderen Frauen auf einem Acker an der alten Gasner Straße nahe dem Gasthaus „Zur Baumgartmühle“. Es näherten sich zwei Motorräder mit Soldaten in Uniform und ein großer grauer PKW. Die Frauen versteckten sich hinter Büschen und beobachteten voller Angst das Geschehen. Aus dem Fond des Autos entstiegen zwei Männer und sie erkannte darunter Dr. Teuschel im weißen Arztmantel, der zweite Mann dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit Pfarrer Grahsl gewesen sein. In der Nähe stand eine Holzscheune auf dem Acker und die Männer wurden gezwungen, dort hineinzugehen, wo sie eingesperrt wurden. An der Scheune wurde Sprengstoff angebracht und die Hütte gesprengt. Die Hütte flog daraufhin mit einer großen Explosion in die Luft. Die Augenzeugin wagte ihr Leben lang nicht, über dieses Ereignis zu sprechen, da einige der einstigen NSDAP-Parteigrößen auch in der Nachkriegszeit wichtige politische Ämter ausführten.
Erinnerung
Im Jahr 1948 wurde der verschollene Pfarrer offiziell für tot erklärt. Im Jahr 1959 errichtete die Gemeinde eine Gedenktafel für Johann Grahsl an der Außenseite der örtlichen Pfarrkirche, auf der er als „als hilfreicher und von allen geliebter Seelenhirte in Gasen“ gewürdigt wird. Als Erneuerung des Gedenkens wurde am 6. April 2025 ein Stolperstein für Johann Grahsl vor dem Gasner Pfarrhof verlegt – dem Ort, von dem er vor 80 Jahren verschleppt wurde.
Verfasser: Martin Pöllabauer
Literatur
Martin Pöllabauer: Pfarrer Johann Grahsl – Sein Leben im Schatten des Krieges. Herausgegeben vom Dorf- und Gemeindeentwicklungsverein Gasen. Gasen 2025.