Verlegung von Stolpersteinen für die Familie Blüh

17.Juni 2016 um 13:00 Uhr

Am Freitag, 17. Juni 2016, findet die Verlegung der Stolpersteine für die Familie Blüh statt!

Adresse: Annenstraße 31
13:00 Uhr: Stolpersteinverlegung für Wilhelm Blüh, Olga Blüh, geborene Fleischer, Hans Blüh, Gertrude Scharfstein, geborene Blüh, und Alfred Blüh

Adresse: Ruckerlberggürtel 14
14:30 Uhr: Stolpersteinverlegung für José (Josef) Scharfstein.

An der feierlichen Verlegung werden die Angehörigen der Familie Blüh teilnehmen. Sie leben heute in Chile und in den USA.
Die Verlegung wird von einem musikalischen Rahmenprogramm und Gedenkworten für die Opfer begleitet.

Für den Transfer von der Annenstraße zum Ruckerlberggürtel bitte diesmal individuell Sorge tragen.

Für Rückfragen
M: verein-fuer-gedenkkultur-graz@gmx.at
T: 0664/395 5525.


Kurzbiographie

Die Familie Blüh lebte in der Annenstraße 31, wo man eine erfolgreiche Lederhandlung und Schuhoberteilfabik aufgebaut hatte. Wilhelm und Adele Blüh, geborene Wurmfeld, hatten insgesamt drei Kinder. Ihr ältester Sohn, Hans Blüh, 1912 geboren; Tochter Gertrude kam zwei Jahre später zur Welt. Der Kriegsbeginn im Jahre 1914 und die damit einhergehende Einberufung Wilhelms bildete eine Zäsur in der Familiengeschichte, entzog sie den Kindern doch den Vater.
Im Jahr 1922 wurde der jüngste Sohn Alfred geboren. Darauf folgte ein schwerer Schicksalsschlag. Adele verstarb drei Wochen nach der Entbindung. Beerdigt ist sie am Jüdischen Friedhof in der Wetzelsdorfer Straße 33. Wilhelm heiratete später ein zweites Mal. Olga Fleischer stammte aus Teplitz-Schönau/Teplice-Šanov im heutigen Tschechien.

Bereits vor der Annexion Österreichs durch NS-Deutschland bekamen jüdische BürgerInnen den grassierenden Antisemitismus zu spüren, der auch Alfred Blüh, dem letzten noch lebenden Familienmitglied dieser Zeit, erinnerlich ist. Der sog. „Anschluss“ im März 1938 machte das Leben für die Familie schließlich unerträglich. Im Mai sah sich Wilhelm gezwungen, sein Geschäft an einen Mitarbeiter abzutreten. Karl Veverka, NSDAP-Parteimitglied seit April 1931, sollte das Geschäft „arisieren“. Besonders rücksichtslos gebärdete sich auch der von den NS-Behörden eingesetzte „kommissarische Verwalter“ Franz Brunner.

Ab Sommer 1938 bereitete sich die Familie schließlich auf die Flucht vor, während sich NS-ParteigängerInnen um das zur „Arisierung“ stehende Haus der Blühs zankten. Im Herbst wurde Schwiegersohn Josef Scharfstein inhaftiert, Druckmittel zur Abpressung weiterer Geldmittel der Familie Blüh. Im Spätherbst 1938 wurde schließlich Wilhelm Blüh selbst in sog. „Schutzhaft“ genommen und ins KZ Dachau deportiert. Erst das Bestreben der NS-Behörden, die „Liquidierung“ des Besitzes bis 15. Dezember abzuschließen – dafür benötigte man die Anwesenheit Wilhelm Blühs -, führte zu seiner Rückführung nach Graz.

Der kontinuierlich zunehmende Druck auf die jüdische Bevölkerung, ihre Entrechung und Enteignung, sowie die omnipräsenten gewalttätigen Übergriffe fanden schließlich in der planmäßig durchgeführten Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 ihren vorläufigen Höhepunkt. Diese Entwicklungen veranlassten die Familie schließlich ihren jüngsten Sohn Alfred zu Verwandten nach Jugoslawien zu schicken. Der damals 16-jährige musste die gefährliche Reise alleine antreten. Dort verbrachte er einige Monate, bevor er sich nach Palästina einschiffte, wo er zwei Jahre in einem Kibbuz leben sollte. Im Jahr 1943 trat er in die englische Royal Air Force (R.A.F.) ein und diente in Ägypten.

Während Alfred das rettende Ausland erreichte, wurde seine Stiefmutter Olga in Haft genommen. Abermals musste Wilhelm einen hohen Geldbetrag entrichten, um die Freilassung seiner Frau zu erwirken. Beide flüchteten schließlich Anfang April 1939 nach Jugoslawien, wo sie jedoch aufgrund des Grenzübertritts in Jastrebarsko festgehalten und nach einigen Tagen freigelassen wurden.

Auch dem ältesten Sohn Hans sowie Gertrude und Josef Scharfstein glückte die Flucht nach Jugoslawien. Hier konnte sich die Familie noch einmal vereinigen. Am 7. Dezember 1941 verstirbt Wilhelm in Ljubljana, nachdem er mit akuten Herzbeschwerden ins Spital eingeliefert wurde. Während Gertrude und Josef schon 1939 über England nach Ecuador migriert waren, folgte ihnen nun auch Olga. Hans hatte zu dieser Zeit schon Jugoslawien verlassen und lebte bei Angehörigen in Texas, USA. In späteren Jahren wurde New York seine neue Heimat, wo er eine Familie gründete. Wie sein jüngerer Bruder diente auch Hans nach seinem Eintritt in die US-Army aufseiten der Alliierten im Zweiten Weltkrieg.

Alfred verließ schließlich das britische Mandatsgebiet Palästina und folgte seiner Familie im Jahr 1946 nach Ecuador. Später übersiedelten sie gemeinsam nach Chile, wo die Kinder und Enkelkinder von Alfred, Gertrude und Josef noch heute leben.
Alfred ist heute der letzte noch lebende Zeuge dieser Zeit, seine Geschwister sind bereits verstorben. Am 17. Juni wird er mit 94 Jahren nach Graz anreisen und an der feierlichen Verlegung der Stolpersteine für seine Familie teilnehmen.

Inschriften der Stolpersteine

HIER WOHNTE UND ARBEITETE
WILHELM BLÜH
JG. 1880
ENTEIGNET 1939
FLUCHT 1939
ZAGREB, LJUBLJANA
AUF FLUCHT VERSTORBEN 7.12.1941
LJUBLJANA

HIER WOHNTE UND ARBEITETE
OLGA BLÜH
GEB. FLEISCHER
JG. 1889
ENTEIGNET 1939
FLUCHT 1939 JUGOSLAWIEN, ITALIEN
FLUCHT  1943 ECUADOR

HIER WOHNTE UND ARBEITETE
HANS BLÜH
JG. 1912
ENTEIGNET 1939
FLUCHT 1939 JUGOSLAWIEN
FLUCHT 1939 USA

HIER WOHNTE
ALFRED BLÜH
JG. 1922
ENTEIGNET 1939
FLUCHT 1939
JUGOSLAWIEN, DANN PALÄSTINA
1943 ÄGYPTEN
1946 ECUADOR

HIER WOHNTE
GERTRUDE SCHARFSTEIN
GEB. BLÜH
JG. 1914
ENTEIGNET 1939
FLUCHT 1939 ENGLAND
FLUCHT  1939 ECUADOR

HIER WOHNTE
JOSEF  SCHARFSTEIN
JG. 1905
ENTEIGNET 1939
FLUCHT 1939 ENGLAND
FLUCHT  1939 ECUADOR